ADHS


ADHS: Krankheit oder Signal? Gedanken aus meiner Praxis

ADHS hat in den letzten Jahrzehnten eine ungeheure „Karriere“ gemacht. In manchen Schulklassen trägt gefühlt die Hälfte der Jungen diese Diagnose. Doch ist es wirklich eine Krankheit? Als ich 1980 mein Examen machte, kam dieses Phänomen kaum vor. Da sich unsere Gene in dieser kurzen Zeit nicht verändert haben, müssen die Ursachen in der Umwelt liegen.

Der Verlust der Freiheit

Früher waren Kinder – besonders Jungs – den ganzen Tag draußen. Heute beginnt die Reglementierung oft schon im Kindergarten. Schulen sind im Grunde Zwangssysteme, historisch eher zur Disziplinierung als zum reinen Weltverständnis gegründet. Bei meinen Aufenthalten bei den Hadza oder Massai in Tansania habe ich erlebt, dass es dort kein ADHS gibt. Der natürliche Bewegungsdrang wird dort nicht pathologisiert. Würde man diese Kinder zum Stillsitzen zwingen, wären sie wohl alle auffällig.

Medikamente und das Gehirn

Viele Patienten wünschen sich Medikamente, um im Studium oder in der Schule zu funktionieren. Stimulanzien wie Ritalin wirken zwar, doch oft fühlen sich Betroffene wie „Zombies“ oder fremdgesteuert.

Das Gehirn ist ein Wunderwerk, das durch die Selbstregulation von Botenstoffen lernt. Greifen wir chemisch ein, nehmen wir dem Gehirn die Chance, diese Regulation selbst zu erlernen.

Meine Geschichte: Gerettet durch die Natur

Ich war selbst ein typisches „ADHS-Kind“: unruhig, schlechte Noten, in der Pubertät unglücklich. Mich retteten keine Tabletten, sondern der Jugendbund für Naturbeobachtung. Bewegung, Verantwortung und Aufgaben in der Gemeinschaft gaben mir Struktur. Das Problem wuchs sich aus, und am Ende standen ein gutes Abitur und das Medizinstudium.

Ein Rat an die Eltern

Menschen sind unterschiedlich. Manche Kinder sind angepasst, andere wild und bewegungsfreudig. Ich rate Eltern oft zu Geduld, auch wenn die schulischen Leistungen zeitweise leiden.

Es ist eine Grundsatzentscheidung: Wollen wir kurzfristig gute Noten durch Chemie oder langfristige Selbstregulation? Ich verurteile niemanden, der Medikamente nutzt, warne aber davor, gesellschaftliche Probleme – wie Bewegungsmangel und starre Schulsysteme – rein medizinisch bei unseren Kindern lösen zu wollen.


Ihr Heinrich Schimpf


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